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Erziehung nach Bauchgefühl

Ach, ich mach das einfach nach Bauchgefühl. Das geht dann schon irgendwie. Ich höre einfach auf meine Intuition. Solche Sätze fallen oft, wenn es um Babys und Kinder geht. Eltern sind der Überzeugung, dass schon irgendwie zu machen.

 

Das Problem ist, wenn wir nicht darüber nachdenken, was wir da machen, kopieren wir nur das, was wir selbst erlebt und erfahren haben. Denn das sind die Handlungsmuster, die in uns verfügbar sind. Es gibt einige Dinge, die tatsächlich intuitiv oder reflexartig ablaufen. Zum Beispiel, dass die Milchproduktion angeregt wird, wenn das Baby weint. Oder das wir die Laute unseres Babys nachahmen. Dass wir das Bedürfnis haben, unser Baby auf den Arm zu nehmen, wenn es weint oder auch, dass wir uns nicht auf das Baby rollen, wenn es neben uns schläft. Aber sehr viele Dinge werden überlagert von Werten, Überzeugungen, Erfahrungen und Traumata der Vergangenheit. Oft nicht nur die eigenen, sondern die der Generationen vor uns. Prägende Bedingungen wie Nahrungsknappheit nach dem Krieg oder traumatische Erlebnisse aus dem Krieg. Solche Erfahrungen haben Einfluss auf das Verhalten und den Umgang mit den Kindern. Diese sammeln wiederum auch Erfahrungen und prägen mit ihrem Verhalten ihre eigenen Kinder. 

 

Jede:r von uns bringt Traumata mit in die Erziehung der eigenen Kinder. Ein Trauma tritt nicht nur plötzlich wie bei einem Unfall ein. Ein Trauma entsteht auch, wenn wir körperliche Gewalt erfahren. Aber auch durch seelische Gewalt. Wenn wir zum Beispiel befürchten, unsere Bezugsperson liebt uns nicht mehr. Durch Erniedrigung, Angst, Liebesentzug, Bloßstellung, Demütigung,.. Alles noch heute gängige Erziehungsmaßnahmen. Durch solche gewaltvollen Handlungen entstehen Traumata. Wenn wir nun einfach aus dem Bauch heraus handeln, ohne zu reflektieren und zu überlegen, wie wir wirklich erziehen wollen und was wir darunter verstehen, wiederholen wir dieses Verhalten.  Vor allem je weniger wir uns damit auseinandersetzen. Sobald wir Kinder haben, fällt es uns aber zunehmend schwerer, uns nicht damit auseinanderzusetzen. Denn unsere Kinder holen das alles wieder bei uns hoch. Daraus resultiert häufig die Erkenntnis, es auf jeden Fall anders machen zu wollen. 

 

Funktioniert nur leider nicht einfach so. Denn in Stresssituationen - die unsere Kinder definitiv verursachen - fallen wir zurück in alte Muster. Und das sind die, die wir selbst erfahren haben. Wenn uns das nicht bewusst ist, werden wir diese Situation rechtfertigen mit, Gedanken wie "Es geht halt nicht anders" "Du hast es ja nicht anders gewollt" "Da musst du jetzt durch". Denn so wurde das auch uns gegenüber gerechtfertigt. Und das fühlt sich richtig an, denn das ist es, was unser Gehirn kennt.

 

Wenn dir aber bewusst ist, dass du es wirklich anders machen möchtest. Und das es vielleicht nicht immer in Ordnung war, wie mit dir umgegangen wurde (ein Klaps auf den Po und Ohrfeigen sind mittlerweile strafbar). Wenn du bereit bist, wirklich hinzusehen, dann hast du keine andere Wahl, als dich zu belesen, dir Artikel oder Insta-Posts anzuschauen, Podcasts zu hören. Denn du kannst dieser Spirale nur entfliehen, wenn du dich aktiv mit Erziehung auseinandersetzt. 

 

Wenn du dir keine anderen Ansichten zu Erziehung anschaust, wirst du deine eigenen Erfahrungen imitieren und kopieren. Denn dir fehlen die Vorbilder. In Stresssituationen wirst du gewaltvolles Verhalten immer begründen mit Sätzen, die du gehört hast. Und du wirst dieses Trauma wieder weitergeben. Es braucht also Ideen und Inspiration und nicht nur den Gedanken "Also das werde ich aber nie so machen."

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